Neue Tour: Barranco Valle Luis

Wer von Euch bereits die anspruchsvolle Masca Schlucht kennt und schätzt, wird diese Wanderung lieben, denn sie bietet ebenfalls eine sportliche Herausforderung. Knapp 1.000 Höhenmeter bergab verteilt auf abwechslungsreiche 10km lassen das Herz eines jeden gut trainierten Wanderers höher schlagen.
Kurz hinter dem Cruz del Carmen im Anaga Gebirge geht es los. Eine alte Straße, der Camino Viejo al Pico del Inglés, führt uns durch eine geheimnisvolle Enge, gleich einem hohen Tunnel ohne Dach. Links erhaschen wir immer wieder schöne Ausblicke auf das tiefer gelegene Anaga Gebirge in Richtung Afur. Schon bald lassen wir Afur wortwörtlich links liegen, als wie aus dem Nichts rechts ein schmaler Anstieg in den dunklen Lorbeerwald führt. Einige wenige Holzstufen erleichtern uns den kurzen aber steilen Aufstieg und wir vermuten, dies ist den vielen Wanderern geschuldet ….. dem ist nicht so, denn hier trifft man kaum auf Menschen. Selten haben wir einen schöneren Lorbeerwald gesehen, er scheint so unberührt. Die moosbehangenen Bäume ragen tief in den schmalen Weg hinein, verbinden sich oberhalb zu einem dichten, schattenspendenden Dach. Flechten und Baumpilze wechseln sich ab mit prächtigen Farnen, Aeonien und der kanarischen Glockenblume. Das Sonnenlicht verwöhnt uns mit wunderschönen Lichtspielen.
Fast hätten wir den kleinen Trampelpfad übersehen, der uns nach nur wenigen Metern bergauf einen atemberaubenden Fernblick auf das grüne Anaga Gebirge und das blaue Meer freigibt – ein idealer Rastplatz. Nach etwas mehr als 1 Stunde verlassen wir den Nebelwald und schnappen nach Luft, nicht der Anstrengung wegen, denn dieser Abschnitt war noch sehr moderat, sondern des Ausblicks wegen. Bizarre Felsformationen, tiefe, grüne Barrancos, nur wenige einsame Weiler verstreut in der grünen Landschaft und in der Ferne das blaue Meer – Gran Canaria zeichnet sich am Horizont ab, ebenso die Silhouette von Santa Cruz. Unser Blick schweift weiter zum 1914 fertiggestellten Staudamm, Embalse de Tahodio, sein Wasser schimmert in einem warmen Grünton. Die Zeiten, wo die hohe Staumauer große Wassermengen aufstaute, sind offenbar schon länger vorbei. Jetzt beginnt der sportive Abstieg und wir folgen uralten Pfaden, die uns wie im Rausch in unzähligen Kurven runtertragen. Pfade, die schon die Guanchen, die Ureinwohner Teneriffas, lange vor uns betreten haben. Magie und Wehmut liegen bei diesem Gedanken in der Luft. Ob der Guanchen Titel Mencey nun mit Fürst oder König übersetzt wird, Mencey Beneharo war der Herrscher über weite Teile des Anaga Gebietes und er verhielt sich durch ein Abkommen mit den Spaniern neutral, kämpfte nicht an der Seite des Menceys Bencomo und Anderer. Es hätte sowieso nur einen Aufschub bedeutet, der Sieg war den Spaniern gewiss.
Der nunmehr steile Weg bergab führt uns an nur sehr wenigen kleinen Weilern vorbei, die meisten scheinen verlassen zu sein.
Kaum vorzustellen dass die ersten Siedler selbst in diesem unwirtlichen Terrain Terrassenfelder errichteten, Land- und Viehwirtschaft betrieben. Doch verwitterte Steinmauern aufgegebener Terrassenfelder und viele Wasserleitungen sind stumme Zeugen.
Jedoch, mitten in der Einsamkeit der oberen Schlucht, die wunderschön aber auch menschenfeindlich erscheint, werden einige wenige Felder bestellt, sieht man Kuh und Pferd allein auf steilen Anhängen grasen, zwei Hunde bellen. Ein alter Mann erwidert freundlich aber auch verwirrt ob der Wanderer unseren Gruß. Was in aller Welt hält ihn hier? Ein einsames Leben weit weg von der Zivilisation, nicht nur sehr beschwerlich sondern auch sehr einfach. Wir wundern uns nur.
Die uns umgebende Natur hat sich mit dem Abstieg verändert. Kaktusfeigen, Agaven- und Kandelaber Wolfsmilchgewächse, Affodil und Baumschlingen prägen das Bild, es ist sonnig und sehr warm. Immer tiefer geht es nun in den Barranco, bis wir den Bachlauf erreichen, welcher sich tief in die Schlucht eingegraben hat. Die letzten Winter waren regenarm und so verwundert es nicht, dass der Bachlauf auch zum Ende der Regenzeit im März kaum fliessendes Wasser dafür aber immer wieder kleine Tümpel bietet. Tief und meistens sehr klar fallen sie uns sofort ins Auge, das Quaken der unzähligen Frösche ist unüberhörbar. Einmal unten angekommen, bleibt der Bachlauf nun stetig an unserer Seite, mehrfach überqueren wir ihn, problemlos, mangels Wasser …. und freuen uns schon jetzt darauf, wenn es beim nächsten Mal, nach etwas mehr Regen, vielleicht auch mal nasse Füsse geben wird.
Auf unserem teilweise steilen Pfad wechseln sich Fels- mit Lehmböden und alten Steinpflasterungen ab und sowohl Wanderstöcke als auch knöchelhohe Wanderschuhe bewähren sich hier bestens, gut gemacht!
Langsam wird der Barranco Valle Luis enger, die steilen Felsen kommen näher, eine letzte Querung des Bachlaufes, ein scharfe Biegung und dann sind ganz unerwartet die ersten kleinen Häuser in Sicht. ‚Unser‘ schöner Barranco Valle Luis geht unspektakulär über in den Barranco Tahodio. Für den Rest des Weges begehen wir einen Camino Real, einen alten königlichen Handelsweg, den die späteren Siedler ausbauten, denn verantwortlich zeichnen natürlich auch hier die Guanchen. Leider wurde der alte Handelsweg mittlerweile asphaltiert, aber ganz ehrlich, nach dem anspruchsvollen Gelände, das hinter uns liegt, freuen wir uns innerlich, etwas verschämt natürlich, über die leicht zu begehende ruhige Asphaltstraße.
Knapp 40 Minuten später liegt der östliche Hafen von Santa Cruz vor uns, Hochhäuser, der normale Lärm einer Großstadt, Busse, Taxen, Menschen. Gute 4 1/2 Stunden waren wir unterwegs und spüren nach 10km eine wohltuende und sehr befriedigende Erschöpfung. Die Zivilisation, an sich so vertraut, erschreckt uns fast ein bisschen.
Und plötzlich verstehen wir den alten Mann in dem abgelegenen Weiler oben am Barranco und ahnen, was ihn bewogen hat, dort zu bleiben.

Verfasser: Petra

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